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Die LAG trauert um Dr. Peter Flosdorf

Foto: Familie Flosdorf privat

Oft nahm er an Tagungen, Weiterbildungsseminaren, Vorstandssitzungen oder anderen Veranstaltungen der LAG teil. Seine fundierten Beiträge in Diskussionen oder auch seine Referate waren von den Teilnehmern auch wegen ihres intensiven Praxisbezugs hochgeschätzt. Er hat in seiner aktiven Zeit wesentlich zur Weiterentwicklung der Erziehungsberatung in Bayern beigetragen.

Wenngleich Leben und Werk von Peter Paul Flosdorf in Wikipedia dargestellt und gewürdigt sind, sollen doch einige Stationen in seinem Leben nochmals aufgeführt werden.

 

Peter Flosdorf wurde am 10. Juli 1928 in Siegen als sechstes Kind geboren. Er absolvierte die Schule dort 1947 mit dem Abitur. Danach begann er das Studium der katholischen Theologie in Paderborn. 1949 schrieb er sich in München zum Studium der Psychologie ein. Das Theologiestudium schloss Flosdorf 1952 ab, das der Psychologie 1953. Bereits 1953 übernahm er die Leitung der neu eingerichteten heilpädagogischen Beobachtungsstation in Würzburg unter Trägerschaft des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF). 1958 promovierte er zum Dr. phil. mit einer Arbeit über das Stottern.

 

Von seinen beruflichen Anfängen als Diplompsychologe war Peter Flosdorf ganz wesentlich der stationären Jugendhilfe verpflichtet. Er war darin gestaltender Entwickler dieser Maßnahme und weit über die bayerischen Grenzen hinaus bekannt und geschätzt. Daneben waren ihm aber auch die ambulanten und teilstationären Hilfen wichtig. Vermutlich dachte er, es könnten dadurch manche Maßnahmen, die stark in das Leben von Kindern und Jugendlichen eingreifen, verhindert werden. So gründete er 1955 in Würzburg eine der ersten bayerischen Erziehungsberatungsstellen.

 

Durch seine multiple Professionalität als Diplompsychologe, Heilpädagoge, Theologe und systemischer Familientherapeut war ihm die persönliche und wissenschaftliche Weiterentwicklung wie auch die Weiterqualifikation seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Anliegen. Folgerichtig gründete er 1966 das heilpädagogische Seminar, um den Fachkräften vertiefte Kenntnisse in heilpädagogischem Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen zu vermitteln. Viele Absolventen haben heilpädagogisch orientiertes Arbeiten in anderen Bereichen der Jugendhilfe eingeführt und weiterentwickelt. Um Kinder und Jugendliche im Heim zu sozialisieren, führte er dort Kinderkonferenzen ein. Er etablierte die erste Heimschule und begleitete manche Kinder und Jugendliche in einer neu aufgebauten heilpädagogischen Tagesstätte, die er ebenfalls an das Heim angliederte.

 

Somit vereinigte Peter Flosdorf unter seiner sachkundigen Leitung ambulante, teilstationäre und stationäre Maßnahmen in einem Verbund. Das Ineinanderwirken von verschiedenen Hilfen zum Wohle der ihm anvertrauten Kinder und Jugendlichen war zentral in seinem Denken und Handeln. In vielen Veröffentlichungen und Referaten warb er für diese neue Sichtweise.

 

Nach 40-jähriger Tätigkeit als Leiter und Koordinator des Verbundes verschiedener Hilfen in Würzburg trat Peter Flosdorf 1993 in den Ruhestand. Auch danach war er in Vortrags-, Begutachtungs- und Beratungstätigkeit aktiv.

 

Ich begegnete Peter Flosdorf erstmals als Vorsitzender der LAG in einer Bezirksdelegiertentagung in Innsbruck. Dort trafen sich alljährlich für vier Tage Vertreterinnen und Vertreter der bayerischen EB-Stellen. Je zwei aus einem Regierungsbezirk (eben die Bezirksdelegierten) berichteten über die Anmeldezahlen und andere statistische Kennwerte sowie über außergewöhnliche Projekte, Beratungsinitiativen und Entwicklungen in den einzelnen EB-Stellen. Auch hochrangige Vertreterinnen und Vertreter des bayerischen Sozialministeriums waren regelmäßig Gast bei diesen Tagungen, um sich über die Fortentwicklung der Erziehungsberatung in Bayern zu informieren.

 

Peter Flosdorf war oft bei diesen Tagungen anwesend, auch noch während seines Ruhestandes. Er brachte sich in den vielfältigen Diskussionen ein, indem er in seiner ruhigen, überlegten und bedächtigen Art seine Argumente vortrug. Bei den abendlichen Zusammenkünften der Teilnehmer erlebte ich den Privatmann Peter Flosdorf. Er war ein humorvoller Mann mit einem oft schelmischen Lachen. Noch beim Schreiben dieser Zeilen zaubert die Erinnerung an ihn ein Lächeln auf meine Lippen.

 

Bei der wissenschaftlichen Jahrestagung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke), die 1995 von der LAG Bayern ausgerichtet wurde, war Peter Flosdorf eine unersetzliche Hilfe für die Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Tagung, die in Würzburg stattfand. Ich war als damaliger Vorsitzender sehr dankbar, ihn an meiner Seite zu wissen.

 

Mit dem Tode von Peter Flosdorf verliert Bayern einen herausragenden Vordenker für das aufeinander abgestimmte Wirken ambulanter, teilstationärer und stationärer Hilfen bei der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen.

 

Er hat auch die Erziehungsberatung in Bayern durch sein vernetztes Denken und Handeln stark beeinflusst. Die LAG Bayern trauert um ihn.

 

Dr. Peter Dillig, ehemaliger Vorsitzender der LAG Bayern